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Weihnachten 2011 – oben und unten

Hand aufs Herz, liebe Leserinnen und Leser, wann haben Sie zum letzten Mal über „die da oben“ geschimpft? Über die Bahnvorstände, zum Beispiel, die ruhig mal im überfüllten Regionalexpress zur Arbeit fahren könnten. Über die Millionäre in den Fußballklubs, die ruhig mal mitkriegen sollten, wie dem Fan auf den Stehplätzen zumute ist, wenn die Herren Spieler zu faul zum laufen sind. Über die Besser- und Großverdiener, die mal versuchen sollten, mit einem kleinen Gehalt einen Monat lang über die Runden zu kommen. Von (Ex-) Ministern, Abgeordneten oder Präsidenten ganz zu schweigen. „Die haben ja alle keine Ahnung vom wirklichen Leben“ – fragen Sie dazu einmal den Stammtisch Ihres Vertrauens.

Was das jetzt mit Weihnachten zu tun hat? An Weihnachten passiert nämlich genau das: Der Höchste wird ganz klein, hilflos und geht mitten unter die Menschen. Nicht dahin wo es glänzt und leuchtet, sondern zu Lieschen Müller, Max Mustermann, Otto Normalverbraucher – eben zu den kleinen Männern und Frauen auf der Straße. Gott wird Mensch in Jesus Christus mit allen Konsequenzen. Der Allerhöchste erlebt und erleidet alles, was die Menschen da unten bewegt. Ich finde das unendlich tröstlich, denn es heißt auch, dass wir alles vor diesen liebenden Gott tragen dürfen: Sorgen, Nöte und Ängste ebenso wie ein Herz, das vor Freude und Dankbarkeit beinahe platzt.

Wo Weihnachten entschieden wird

Es ist wieder Advent und wer sich an den Samstagen vor dem Fest durch Fußgängerzonen und Einkaufszentren bewegt, merkt schnell, dass der Einzelhandel auch dieses Jahr wieder allen Grund haben dürfte, zu jauchzen und zu frohlocken. So weit so gut, same procedure as every year. Schließlich schenke auch ich gerne und freue mich auch, wenn jemand an mich denkt.

Doch mit seinem Slogan „Weihnachten wird unterm Baum entschieden“ schafft es die rote Elektronikkette mit den dicken Buchstaben, den Sinn dieses Festes umzukehren. Weihnachten ist nicht dann ein gelungenes Fest, wenn wir den größten Plasmafernseher, das schnellste Notebook oder das realistischste Ballerspiel geschenkt bekommen oder verschenken. An Weihnachten wird Gott Mensch, ganz arm, ganz klein und er zeigt sich zuerst denjenigen, die auch schon vor 2.000 Jahren kein Geld für Geschenke gehabt hätten.

Deshalb finde ich es gut, dass sich Christinnen und Christen auf die Hinterbeine stellen. Sei es auf Facebook, auf evangelisch.de in Blogs oder mit einer Erklärung der Bischöfe. Gerade dann, wenn Gottes frohe Botschaft zum Konsumanlass gemacht wird, stellen sich die Kirchen quer und rücken den wahren Sinn wieder in den Blick. Nicht der Baum zählt, sondern die Krippe. Bemerkenswert ist dabei auch die Einigkeit die die Konfessionen an den Tag legen. Das, was uns eint, das, was wir gemeinsam haben, wird verkündet. Ein erfreulicher und ermutigender Abschluss für ein Jahr, in dem das Thema Ökumene mehr als einmal auf der Tagesordnung stand.

Glaubwürdigkeit ist unbezahlbar

Erst kam der Papst, dann kamen die Pornos. So könnte man die Ereignisse der letzten Wochen um Erotik-Literatur beim Weltbild-Verlag reißerisch überschreiben. Denn kaum ist das Thema “Papstbesuch” in den Medien abgearbeitet, kommt ans Tageslicht, dass sich beim katholischen Weltbildverlag erotische Literatur findet. Ein Sturm im Wasserglas? Künstliche Empörung? Keineswegs wie ich meine.

Gut, wenn Weltbild irgendein Medienunternhemen wäre, könnte man das Ganze getrost vergessen. Denn die Homepage offeriert Erotikliteratur erst nach einer Suchanfrage und der Umsatz mit dieser Sparte macht laut Angaben von Weltbild nur 0.017% des Umsatzes aus.

Doch Weltbild ist nicht irgendein Unternehmen, es gehört – vereinfacht gesagt – zur katholischen Kirche. Und wer moralische Grundsätze predigt und sie von seinen Gläubigen verlangt, der darf mit etwas, dass gegen diese Regeln verstößt, kein Geld verdienen. Denn sonst verliert er etwas was unbezahlbar ist: seine Glaubwürdigkeit. Da hilft auch es auch nicht, dass man nur ein bisschen Geld damit verdient hat. Würden wir einem Sportler zujubeln, der nur ein bisschen dopt oder einen Politiker wählen, der nur ein bisschen Bestechungsgeld genommen hat? Eben.

Wer heute Menschen für eine Botschaft begeistern will, muss sie glaubwürdig und authentisch leben. Es gibt keinen Vertrauensvorschuss, weder für Parteien, noch für Gewerkschaften, Verbände oder Kirche. Deshalb wäre eine radikale Bereinigung und eine Umstellung des Sortimentes nicht nur der richtige Schritt. Es ist auch der einzig Mögliche, wenn die Kirche ernst genommen werden möchte. Und das sollte 0,017% wert sein.

Nachtrag: Gerade lese ich hier, dass der Aufsichtsrat zurückgetreten ist.

„Wonach sehnst du dich?“

SehnsuchtsoaseDortmund, Westenhellweg: Hektisch laufen Menschen an Geschäften vorbei. Auf Shoppingtour, Schnäppchenjagd oder dem schnellen Snack für den kleinen Hunger. Das ganz normale Programm. Morgens, ab halb zehn. Wie in jeder Großstadt in Deutschland.

Doch in den ersten beiden Augustwochen war etwas anders. Denn im ehemaligen Klostergarten der Propsteikirche hatte die „Sehnsuchtsoase“ geöffnet. Der Garten, der sonst durch ein schweres Tor verschlossen ist, war mit Hängematte, Stühlen, Hockern und Liegestühlen einladend hergerichtet. Wer wollte, konnte einfach nur dasitzen, sich entspannen, Musik hören und sich von den Helferinnen und Helfern ein Glas Wasser bringen lassen.

Schon alleine der Kontrast zur hektischen „Außenwelt“ und die Möglichkeit, den Klostergarten zu entdecken, der sonst nicht zugänglich ist, war für viele ein Erlebnis. Einer der Besucher meinte sogar, für ihn sei ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, so lange habe er sich schon gewünscht, diesen Garten mitten in der Stadt zu betreten.

Doch die Sehnsuchtsoase hatte noch mehr zu bieten. Für jeden Tag hatte das Team aus hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Geistlichen aus dem Dekanat Dortmund Mittags- und Abendgebete vorbereitet und wer wollte, konnte bei Tai Ji und christlicher Spiritualität „Glauben in Bewegung bringen“.

An drei Thementagen „Heilung: Heilsein und Heilwerden“, „Grundsehnsucht: Liebe“, „Sehnsucht nach GOTT“ gab es weitere Angebote, die die einzelnen Themen noch weiter vertieften – ob Lachyoga, Liebeslyrik, Diashows, Büchertische, kreative Angebote oder Workshops.

Und die Mühe hatte sich gelohnt, denn das Besucherecho war beeindruckend. Nicht nur, dass jede Tag 200 Gäste begrüßt werden konnten. Diejenigen die kamen, machten nicht nur einen Rundgang durch den Garten oder ließen sich zu einem Nickerchen in die Liegestühle sinken. Man stöberte in den Büchern, ließ die Gedanken in den Diashows auf sich wirken, verbrachte die Mittagspause beim Mittagsgebet oder steckte einen kleinen Zettel mit einer persönlichen Bitte an das Kreuz im Klostergarten.

Die Sehnsuchtsoase war ein Stück Kirche, wie ich sie mir öfters wünschen würde: ein Angebot, das sich nicht anbiedert, Reden über Gott und Glaube statt über Kirchenpolitik und einladend für alle, die von sich sagen: „Da ist ein Sehnen, tief in uns…“.

(Ich hatte die große Freude, ein paar Bilder zu einer Diashow beizutragen, die man sich hier anschauen kann.)

 

Nett für zwischendurch …

HirtenbarometerVor einigen Tagen berichtete Spiegel ONLINE über eine Website mit dem spannenden Namen hirtenbarometer.de. Der Gedanke liegt in Zeiten allgegenwärtiger Bewertungsplattformen nahe: Gläubige, ob katholisch, evangelisch, griechisch-orthodox oder russisch-orthodox, können hier ihre Hirten bewerten. Funktioniert das? Ich habs getestet…

Der Look

Die Seite wird dominiert von Schäfchen (was wohl das Bild für die Gläubigen sein soll, denn die Hirten soll man bewerten). An sich ganz knuffige Cartoons, aber auch irgendwie unlogisch, denn es geht ja um Hirten. Das wird ganz besonders deutlich, wenn man sich die Bewertungsseiten einzelner Hirten anschaut: Neben der Bewertung findet man ein Schaf, das bei schlechten Bewertungen schwarz, bei guten Bewertungen weiß und dazwischen grau ist. Wie soll man das verstehen? Bin ich also ein schwarzes Schaf, wenn ich meinen Hirten schlecht bewerte? Ein netter kleiner Hirte als Cartoon wäre da schön gewesen. Apropos: Die Seite redet die ganze Zeit nur von Hirten in der männlichen Form. Ist für Katholiken ja kein Thema, aber wenn DER Hirte dann EINE Pfarrerin ist, hört der Spaß irgendwie auf. Neutrale Sprache hin oder her, aber grammatikalisch korrekt sollte es schon sein.

Die Kriterien

Bewertet werden die Hirten (und -innen) anhand von fünf Kriterien: Am Puls der Zeit, Glaubwürdigekeit, Gottesdienst, Jugend- und Seniorenarbeit. Das ist bei Geistlichen, die eine Gemeinde haben, passend. Aber spätestens bei Bischöfen, Kardinälen oder gar dem Papst versagt das Ganze total. Denn auch wenn man die Herausgabe des Jugendkatechismus Youcat ebenso unter Jugendarbeit subsumieren kann, wie eine tolle Firmvorbereitung, sind sie grundverschieden. Ein Kaplan hat eben andere Aufgaben in Bezug auf Jugendliche wie z.B. ein Kardinal oder eine Ex-Landesbischöfin. Jeder mag sie auf seine Art gut machen, vergleichbar sind sie nicht. Die Bewertungsschritte reichen von 1 (schlecht) bis 6 (sehr gut).

Die Kommentare

Wie sich das für eine Bewertungsplattform gehört, gibt es auch die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Ich habe mir nicht alle angeschaut, deshalb nur zwei Eindrücke, die vielleicht etwas oberflächlich sind. Erstens: Die Moderatoren machen einen guten Job, mir sind keine Beleidigungen aufgefallen. Ansonsten bewegt sich das Ganze auf dem Niveau sonstiger Kommentarseiten anderer Angebote. Also nichts Besonderes.

Und? Bringt es was?

Um es kurz zu sagen: Nein. Die Site dient nicht, wie ihre Macher schreiben, dem Dialog, denn wer hier bewertet, kann dies völlig anonym tun. Und zum Dialog auf Augenhöhe gehört ein offenes Visier.

Sie sagt auch nichts über die Gemeinde aus, denn Gemeinde lebt von ihren Menschen und Gruppen.

Und ein Ventil für den Frust über den Hirten stellt die Seite ebensowenig dar. Denn wenn ein Schaf etwas zu sagen hat, gibt es dafür genügend Möglichkeiten. Man kann das direkte Gespräch suchen oder sich an Pfarrgemeinderäte, Gemeindereferentinnen, Lektoren, Kommunionhelfer, Küster etc. wenden. Möglichkeiten gibt und gab es dafür genug. Mit dem entscheidenden Vorteil, dass man dann über konkrete Dinge sprechen und sie ändern kann.

Also: Bei akutem Anfall von Langeweile kann man mal vorbeischauen. Nett für zwischendurch ist es. Mehr aber auch nicht.